Die komplexe Seite der Resilienz

Im Allgemeinen wird Resilienz als die Fähigkeit beschrieben, Widrigkeiten zu bewältigen und sich von einem Unglück oder einem Misserfolg zu erholen. Es bedeutet, die Nachwirkungen von Scheitern abzuschütteln, nach Rückschlägen oder Krisen wieder aufzustehen und mit unerschütterlicher Entschlossenheit durch turbulente Zeiten zu steuern. Anstatt sich der Verzweiflung oder Resignation hinzugeben, nutzen resiliente Menschen ihre innere Stärke und Entschlossenheit, um Hindernisse zu überwinden und ein Problem anzugehen, ohne daran zu zerbrechen. Sie betrachten berufliches oder persönliches Scheitern nicht als Quelle der Schande oder als endgültigen Schlusspunkt, sondern als Sprungbrett für Wachstum und Selbstoptimierung. Jeden Rückschlag nutzen sie als Gelegenheit zum Lernen und zur Weiterentwicklung, was ihre Kreativität und Innovationsfähigkeit stärkt.


Wie ein Würfel mit vielen Seiten verkörpert Resilienz gegensätzliche und dennoch komplementäre Aspekte der menschlichen Natur. Viel wurde geschrieben und diskutiert über ihre Bedeutung für Gesellschaften und Länder, aber auch für Einzelpersonen angesichts von Krisen in ihrem Berufs- oder Privatleben.


Fragen Sie sich manchmal, ob wir in beiden Systemen – im beruflichen und im privaten – von derselben Art von Resilienz sprechen? Man könnte argumentieren, dass wir im Laufe unserer Karriere belastbarer werden, wenn wir uns bestimmte Fähigkeiten durch Lernprozesse aneignen oder wenn wir durch einen Coach oder Mentor zu einem wirkungsvolleren Verhalten finden. Das Ganze wird zwangsläufig komplexer und erfordert spezielles Training, wenn wir in einer Führungsposition mit Teamverantwortung sind.


Gleichzeitig scheint es, dass der Grad der Belastbarkeit in unserem privaten Umfeld eher durch unser Unterbewusstsein geprägt ist, was möglicherweise andere Bewältigungsstrategien erfordert. Oder ist Resilienz nur ein allgemeines Charaktermerkmal? Und sind in beiden Systemen die gleichen Kräfte am Werk, während unsere momentanen Emotionen dem Ganzen nur unterschiedliche Schattierungen und Intensität verleihen?


Die Antwort ist, dass alles davon wahr sein kann, je nach Person und Situation. Ein Teil unserer Widerstandsfähigkeit beruht auf den Ressourcen, die wir in uns tragen, die uns über Generationen hinweg vermittelt wurden, sowie auf unseren Erfahrungen in der Kindheit und Jugend. Das ist die Grundlage, auf der wir aufbauen und arbeiten können, um unsere Belastbarkeit zu stärken und sie mehr in unser Bewusstsein zu rücken. Manche Menschen sind von Natur aus schon in jungen Jahren resilient, während andere ein Leben lang daran arbeiten müssen.


Ein Beispiel: Jede(r) von uns war mindestens einmal in einer Situation, in der wir plötzlich einen existenziellen Stress oder eine chronische Belastung erleben mussten. Wie haben wir uns damals gefühlt (wütend, angstvoll, überfordert)? Wie war unsere Reaktion (Opfer, Kämpfer)? Wie lange haben wir gebraucht, um damit klarzukommen oder es zu überwinden? Haben wir um Unterstützung gebeten und diese erhalten?


Die eigene Resilienz zu stärken bedeutet vor allem, unsere inneren Ressourcen zu erkennen und sie abrufen zu können. Eine selbstbewusste Person, die im Moment geerdet und in Krisenzeiten hochkonzentriert ist, hat eine bessere Ausgangslage, um die eigenen Reaktionen auf Stressfaktoren zu verstehen, die Auslöser zu erkennen und bewusste Entscheidungen zu treffen, um effektiver damit umzugehen.


Aber werfen wir einen Blick auf die sieben Säulen, die man für einen resilienten Menschen als wesentlich identifiziert hat:


  1. Optimismus: Die schwierigsten Situationen bergen oft das größte Wachstumspotenzial. Eine positive, hoffnungsvolle und realistische Einstellung wird Ihnen helfen, den Weg zu einem guten inneren Ort zu finden, an dem Sie handlungsfähig sind und ein positives Ergebnis erwarten können. Sobald Sie mit sich im Einklang sind, blicken Sie bereits in die Zukunft.
  2. Akzeptanz: Die Fähigkeit, eine Situation zu akzeptieren, die man nicht ändern oder beeinflussen kann, ist ein wichtiger Schritt in die Richtung, wo Sie die Vergangenheit hinter sich lassen. Sich an veränderte Umstände oder Anforderungen anzupassen ist eine bewusste und proaktive Entscheidung, die Sie befähigt, in Möglichkeiten zu denken.
  3. Fokus auf Lösungen: Mit einem konkreten Sinn und Zweck werden Sie das Leben motivierender und lohnender finden. Eine lösungsorientierte Einstellung hilft Ihnen dabei, Chancen und Alternativen zu erkennen. Mit vielen kleinen, aber bewussten Zieletappen erhöhen sich Ihre Erfolgschancen.
  4. Selbstregulierung: Die Art und Weise, wie Sie mit Ihren Gefühlen, Frustrationen und Misserfolgen umgehen, zeigt, wie gut Sie Ihre Grenzen kennen und die Kontrolle behalten können. Wenn Sie sich überfordert und als Opfer fühlen, kann Ihnen ein geführter Perspektivenwechsel (Coaching) dabei helfen, eine Situation mit mehr Klarheit und Gelassenheit zu betrachten.
  5. Beziehungen: Ein Kreis von Vertrauenspersonen, auf die Sie sich in schwierigen Zeiten verlassen können (Familie, Freunde, Mentoren), ist für die Erhaltung Ihrer psychischen Gesundheit von entscheidender Bedeutung. Es lohnt sich auf lange Sicht, Zeit und Energie in die Pflege Ihrer sozialen Kontakte zu investieren und sich in Netzwerken zu engagieren, die einen guten Zweck verfolgen.
  6. Verantwortung: Wenn Sie Ihre Fähigkeiten und Kompetenzen genau kennen, können Sie Entscheidungen treffen und Verantwortung für sich und andere übernehmen. Verantwortungsbewusste Menschen sind Menschen mit einer Wachstumsmentalität, die das große Ganze im Blick haben, Projekte realisieren und andere dazu anspornen, ihr Bestes zu geben.
  7. Planung: Resiliente Menschen visualisieren sich selbst in der Zukunft und sehen am Ende den Erfolg. Für eine wirksame Planung ist es hilfreich, vorher eine gründliche Bestandsaufnahme Ihrer Werte, Bedürfnisse und Wünsche sowie Ihrer Stärken und Schwächen durchzuführen. Wenn Sie wissen, was Ihnen wichtig ist, können Sie den weiteren Weg planen.


Gerade wegen den kontinuierlichen und zahlreichen tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen um uns herum sind die sieben Säulen eine wichtige Stütze, die dafür sorgt, dass unsere Widerstandsfähigkeit heute wahrscheinlich auch in unserer Welt von morgen noch ausreicht.


Insbesondere im beruflichen Umfeld, das von schnellen technologischen Fortschritten geprägt ist, ist es für Führungskräfte auf allen Ebenen von größter Bedeutung, nicht nur ihre Anpassungsfähigkeit an Veränderungen, sondern auch ihre Fähigkeit zur Innovation und zur Lösung komplexer Probleme, ihre emotionale Intelligenz im wirksamen Umgang mit Diversität und den sinnvollen Einsatz von Technologie unter Beweis zu stellen, womit sie einen Mehrwert für Organisationen und für die Gesellschaft schaffen.



Um proaktiv eine resiliente Haltung einzunehmen, ist ein tiefgreifendes Umdenken erforderlich. Durch die Nutzung neuer Methoden und Erkenntnisse können Führungskräfte jedoch unerwartete Möglichkeiten zur Verbesserung von Effizienz, Produktivität und Zusammenarbeit erschließen und so den nachhaltigen Erfolg im dynamischen Bereich von Wirtschaft und Unternehmertum vorantreiben. Dann wird Resilienz nicht nur zu einer Überlebensstrategie, sondern zu einem Wettbewerbsvorteil.

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