Der Kern von freundlichem Führungsverhalten und 3 Wertekörbe

Das Modell der Freundlichkeit in der Führung (Kindness Leadership) ist in der Theorie nicht neu, aber offenbar noch nicht sehr bekannt oder in der Praxis noch nicht auf allen Ebenen angewendet. In einer schnelllebigen Zeit, wo wir viele Veränderungen um uns herum erleben, ist es gut, ab und zu innezuhalten, um nachzudenken und uns zu fragen: Wohin gehe ich? Was wünsche ich mir? Wie kann ich trotz all der Veränderungen etwas bewirken? Welche Persönlichkeiten braucht es, um in der heutigen Welt zu führen? Wie kann ich so eine Führungspersönlichkeit sein? Wie integriere ich das Konzept der Freundlichkeit in mein Leben, und was bedeutet es für meine Zukunft?


Ich habe mich entschlossen, über Freundlichkeit in der Führung zu schreiben, nachdem mich das neueste Buch „The Kindness Economy“ der Trendforscherin Oona Horx Strathern und das unlängst erschienene Buch „This Much I Know is True“ der Politikerin Jacinda Ardern inspiriert haben. Strathern präsentiert uns Optionen für ein freundlicheres wirtschaftliches und soziales Verhalten mit dem Ziel, dabei unseren Planeten und unser zukünftiges Leben zu retten. Ardern ist eine leidenschaftliche Befürworterin der Überwindung von Unterschieden durch gemeinsame Werte und Verbundenheit mit dem Ziel, dabei unsere Gesellschaft und unsere Seele zu retten.


Man könnte sagen, dass sich im Zuge der Entwicklung von Führungsparadigmen ein neuer Ansatz herausgebildet hat, der Freundlichkeit in den Vordergrund stellt. Er verwischt oder schmälert nicht die bestehenden modernen Führungswerte und -prinzipien, sondern ergänzt sie vielmehr.


In der Vergangenheit wurde Freundlichkeit selten mit Führung in Verbindung gebracht – zumindest nicht in der Politik oder am Arbeitsplatz. Aufgrund ihrer Wertesysteme haben verschiedene Kulturen heutzutage sehr unterschiedliche Ansichten darüber, wie sich eine glaubwürdige und kompetente Führungspersönlichkeit zu verhalten hat oder Autorität zeigen sollte. Daher versteht möglicherweise nicht jede(r) sofort, dass Freundlichkeit nicht gleichbedeutend ist mit Schwäche, mangelndem Durchsetzungsvermögen oder fehlender Entschlossenheit und Autorität. Es bedeutet nicht, dass jemand ein „Softie“ ist.


Freundlichkeit verbunden mit Mitgefühl und Aufgeschlossenheit vermittelt ein starkes Signal von Selbstvertrauen. Nur mental ausgeglichene Führungspersönlichkeiten erlauben sich ohne Zögern, freundlich zu sein, weil sie sich ihrer inneren Stärke zutiefst bewusst sind, die sie durch Disziplin, Selbstreflexion und gesunde Routinen aufrechterhalten. Sie sind unkompliziert, engagiert und respektvoll gegenüber den Meinungen, Bedürfnissen und Gefühlen anderer und erkennen gleichzeitig die eigene Verantwortung. Sie verlieren nie die übergeordnete Vision aus den Augen und zeigen echtes Interesse am Wohlergehen des Einzelnen wie auch der Gemeinschaft. Ihr Charisma ist fest geerdet in ihrer Menschlichkeit und Bescheidenheit.


Freundliche Führungspersönlichkeiten zeichnen sich auch durch ihr tiefes Einfühlungsvermögen aus, das über den beruflichen Aspekt von Erfolg und Rentabilität hinausgeht. Indem sie die Einzigartigkeit jedes Einzelnen anerkennen, schaffen sie eine Kultur des Vertrauens und der Offenheit. Im Kern legt „Kindness Leadership“ gleich großen Wert auf die Pflege nachhaltiger Beziehungen und die Förderung eines unterstützenden, inklusiven Umfelds, welches andere dazu inspiriert, über sich hinauszuwachsen, sich zu entfalten und zu glänzen.


Warum ist das so wichtig? Einerseits, weil jede(r) Einzelne von uns anerkannt und gefördert werden möchte. Andererseits aber auch, weil ein größeres Zugehörigkeitsgefühl und Vertrauen genau die richtigen Bedingungen schaffen, wo kollektive Intelligenz gedeihen kann und wo unterschiedliche Perspektiven, die sich aus einem offenen Dialog ergeben, zu langfristig wirksamen Entscheidungen führen. Freundliche Führungspersönlichkeiten verstehen die positiven Auswirkungen, die dies auf eine Organisation oder ein Umfeld hat, wo Erfolg im Vordergrund steht.


Wenn Sie ein „Kindness Leadership Champion“ werden möchten, sich aber bei dem Gedanken daran etwas überfordert fühlen, empfehle ich Ihnen, zunächst tief in Ihr eigenes Wertesystem einzutauchen. Tun Sie dies vorzugsweise mit der professionellen Unterstützung eines externen Coaches, einer unvoreingenommenen Person, die Sie anleitet und die richtigen Fragen stellt. Stellen Sie sich vor, Sie tauchen und finden auf dem Meeresgrund Ihre persönliche Schatztruhe gefüllt mit Ihren Werten. Begutachten Sie alle sorgfältig und erstellen Sie eine Liste. Ihnen stehen drei Körbe zur Verfügung. Entscheiden Sie für jeden Ihrer Werte, in welchen Korb er gehört. In Korb 1 gehören die Werte, die ihren Zweck erfüllen und daher weiter erhalten bleiben. Korb 2 ist für diejenigen Werte gedacht, die vernachlässigt wurden und etwas Feinschliff oder Feinabstimmung benötigen. Korb 3 ist für all jene Werte und Glaubenssätze, die nicht mehr zeitgemäss sind und ein für alle Mal entsorgt werden sollten.


Jetzt haben Sie Ihren Fokus definiert: Bei Korb 2 werden Sie daran arbeiten, wie Sie Ihre menschlichen Fähigkeiten zu echten Ressourcen weiterentwickeln und so bereichern können. Bei Korb 3 werden Sie Techniken üben, um zu vermeiden, in die Falle von kontraproduktiven Überzeugungen und Verhaltensweisen zu tappen. Seien Sie versichert, dass die Arbeit, die Sie in diesem Prozess leisten, wo Sie Veränderungen zum eigenen Wohl und dem Wohl anderer umsetzen, die beste und nachhaltigste Investition ist, die Sie sich wünschen können. Viel Glück dabei! Oder besser gesagt – auf geht’s!


Ihre Tatjana Gaspar

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